Das OLG Brandenburg hat hier – ausnahmsweise – entschieden, dass die Mutter das Sorgerecht für die 11-jährige Tochter allein ausüben solle. Grund war hier ein völlig inadäquates Verhalten des Vaters.
Zur Haltung des Vaters führten die Richter aus, dass dieser nach der Trennung der Eltern 2005 zunächst wenig Interesse an seiner Tochter und ihrer Erziehung gezeigt habe. Dies habe sich erst geändert, als die Frau sich scheiden lassen wollte. Doch auch dann gab es Probleme. Offensichtlich verfalle der Vater schon aus nichtigem Anlass in eine massive Vorwurfshaltung gegenüber der Erziehungseignung der Mutter. Bei einem solchen Anlass habe dies bis zu persönlichen Nachstellungen in Anwesenheit der Tochter und zu Rangeleien mit dem Sohn der Mutter geführt.
Darüber hinaus habe der Vater beim Elterngespräch im Jugendamt als auch vor Gericht „eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, dass er eigene Befindlichkeiten nicht zurückstellen könne und nicht in der Lage sei, sachorientiert zu kommunizieren. Unter anderem habe er andere kaum zu Wort kommen lassen, sie immer wieder unterbrochen und zwischenzeitlich sogar den Sitzungssaal verlassen. Der Vater könne sich offensichtlich nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung einlassen. Auch der Hinweis, dass er mit anwaltlicher Beratung besonnener aufgetreten wäre, führe nicht zu einer günstigeren Entscheidung. Eltern müssten für die Wahrnehmung gemeinsamer elterlicher Verantwortung ohne Inanspruchnahme der Hilfe Dritter sachlich und am Kindeswohl orientiert diskutieren und zu Lösungen gelangen können. Dazu seien die Eltern hier jedoch ganz offensichtlich nicht in der Lage.
Auszüge aus dem Urteil:
- Eine das Kindeswohl wahrende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt neben einem Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge insbesondere eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592), die eine Kommunikationsfähigkeit beider Eltern und damit zugleich auch eine objektive und subjektive Kooperationsbereitschaft erfordert. Zwar ist davon auszugehen, dass es für das Wohl eines Kindes grundsätzlich am besten ist, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und Scheidung einvernehmlich um sie kümmern und sie in dem sicheren Gefühl aufwachsen können, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte stürzen. Wenn aber Eltern im Zusammenhang mit oder infolge ihrer Trennung zerstritten sind, emotionale Konflikte offensichtlich nicht lösen können und ihrer Pflicht, eine Einigung zu suchen, nicht mit Erfolg nachkommen können oder wollen, entspricht es dem Kindeswohl selbstverständlich nicht, durch Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Eltern in ständige, von ihnen in angemessener oder zumutbarer Weise nicht zu bewältigende Konfliktsituationen zu zwingen, die zwangsläufig nachteilige Auswirkungen mindestens auf die seelisch-emotionale Entwicklung des Kindes haben würden. Vielmehr müssen dann die Konfliktmöglichkeiten, also die Abstimmungserfordernisse so gering wie möglich gehalten werden. Es kann Kindern nicht zugemutet werden, erhebliche emotionale Konflikte der Eltern ertragen zu müssen, die diese schon als Erwachsene nicht lösen können und in die ein Kind zwangsläufig einbezogen wird (vgl. dazu OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; KG FamRZ 2000, 504; erkennender Senat, Beschluss vom 16. Oktober 2013, Az. 9 UF 75/13).
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- Im Streitfall hat das Amtsgericht zu Recht festgestellt werden, dass die Eltern zerstritten sind und prognostisch nicht erwartet werden kann, dass die Eltern in absehbarer Zeit willens und in der Lage sind, eine Gesprächs- und Kooperationsbasis finden zu können, die erwarten ließe, dass sich V… ohne Beeinträchtigungen durch den Elternstreit entwickeln könnte. Im vorliegenden Fall ist deshalb der Alleinsorge der Kindesmutter gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben.
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- Der Antragsgegner hat sowohl bei dem Elterngespräch im Jugendamt als auch insbesondere gelegentlich des Anhörungstermins vor dem Amtsgericht am 2. September 2013 (auch zum Umgangsverfahren 22 F 142/13) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er – acht Jahre nach der räumlichen Trennung der Eltern – nicht willens und in der Lage ist, eigene Befindlichkeiten zurückzustellen und im Wege einer sachorientierten und am Wohl der heute rund 10 ½-jährigen V… orientierten Kommunikation, die für abweichende Vorstellungen und insbesondere auch Kompromisslösungen Raum lässt, zu einvernehmlichen Regelungen in wichtigen das Kind betreffenden Angelegenheiten zu gelangen. Der Antragsgegner war kaum in der Lage, die anderen Verfahrensbeteiligten zu Wort kommen zu lassen, hat diese immer wieder unterbrochen und zwischenzeitlich sogar den Sitzungssaal verlassen. Dieses Verhalten belegt eindrucksvoll, dass der Antragsgegner sich auf eine sachliche Auseinandersetzung nicht einzulassen vermag. Soweit in der Beschwerdeschrift betont wird, dass der Antragsgegner bei/nach anwaltlicher Beratung besonnener aufgetreten wäre, führt dies nicht zu einer günstigeren Entscheidung. Die Eltern müssen nämlich für die Wahrnehmung gemeinsamer elterlicher Verantwortung in der Lage sein, ohne Inanspruchnahme der Hilfe Dritter einen sach- und Kindeswohlorientierten Diskurs zu führen, dabei gegenläufige Argumente auszutauschen und zuzulassen und im Zuge einer umfassenden Abwägung zu gemeinsam getragenen Lösungen zu gelangen. Dazu sind die Eltern im Streitfall ersichtlich nicht in der Lage.
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- Im Übrigen war auch zu berücksichtigen, dass die Eltern schon seit Jahren die elterliche Verantwortung für die Tochter nicht gemeinsam wahrgenommen haben. Nach der Trennung im Jahre 2005 hat es schon keinen Austausch über wichtige Belange des Kindes – mindestens die Entscheidung zum Schulbesuch von V… hat in dieser Zeit angestanden – zwischen den Eltern gegeben. Es mag sein, dass die Mutter hier eigenmächtig agiert hat; es finden sich indes auch keinerlei tragfähige Anknüpfungstatsachen für die Annahme, dass der Vater aktiv und im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung der Tochter um Einbeziehung in die Kindesangelegenheiten nachgesucht hätte. Der Vater hat auch über Jahre keinen regelmäßigen persönlichen Umgang mit V… gesucht und praktiziert; erst mit der kund gegebenen Scheidungsabsicht der Mutter hat der Vater eine Annäherung und einen regelmäßigen Umgang mit V… gesucht, die darauf durchaus mit Freude reagiert hat. Allerdings bestätigt der im jüngsten Jugendamtsbericht angeführte Vorfall Ende letzten Jahres, dass der Vater aus nichtigem Anlass (Betreuung der Tochter durch eine gute Bekannte, während die Mutter Zeit mit Freunden/Bekannten verbracht hat) in eine massive Vorwurfshaltung gegenüber der Erziehungseignung der Mutter verfällt und diese mittels Anrufen und persönlichen Nachstellungen in Anwesenheit der Tochter (und eines weiteren Sohnes der Antragstellerin) „auslebt“ und es dabei mindestens zu Rangeleien mit dem Sohn der Antragstellerin gekommen ist. Dieses Auftreten hat V… eigenen Bekundungen gegenüber der Jugendamtsmitarbeiterin zufolge als bedrohlich erlebt; sie hat Ängste vor dem Kindesvater gefühlt.
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- Danach muss festgestellt werden, dass die Eltern nicht in der Lage sind, im Interesse ihrer Tochter gemeinsam Elternverantwortung zu übernehmen; sie reden entweder überhaupt nicht oder geraten sehr schnell in einen heftigen Streit, der keinen Raum mehr lässt, zentriert auf die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Tochter Einvernehmen herzustellen. Die Eltern bringen sich keine Wertschätzung entgegen; V… leidet inzwischen erkennbar unter dem Elternstreit.